farbige Chorfenster der Stadtkirche Sternberg

Die Kap-herr’s in Mecklenburg

Zu Besuch in der Stadtkirche Sternberg nahe Schwerin: Eine chorlose westfälische Hallenkirche, die in ihrer lichten und farbigen Weite ein gotisches, vergeistigtes Raumgefühl spüren lässt. Im Zuge einer umfangreichen Neugestaltung im Jahr 1895 entstanden in der Hauptkirche hinter dem Kreuzaltar drei prachtvolle farbige Chorfenster. Und im mittleren Fenster – es stellt das kirchliche Fest Ostern dar – entdeckt man das Kap-herr’sche Wappen sowie den Hinweis „… gestiftet von Freiherrn von Kap-herr – Lockwitz …“???

Kap-Herr Wappen im Kirchenfenster
Kap-Herr Wappen im Kirchenfenster

Die genealogischen Spuren der einst seit 1866 in Dresden, Lockwitz und Prohlis ansässigen Familie der Freiherren v. Kap-herr führen bis ca. 1580 nach Thüringen. Jedoch beginnt der lückenlose Nachweis in Mecklenburg. Und zwar mit dem 1690 in Eisenach geborenen Johann Georg Christian Kapherr. Er amtierte von 1737 bis 1751 als Bürgermeister in Sternberg und verstarb 1751 dort. Sein Sohn Johann Christian Kapherr (1730 – 1788) war Senator in Güstrow. Dessen zweitgeborener Sohn Carl Ludwig Kap-herr (1770 – 1845) diente als Großherzoglich Mecklenburgischer Zollinspektor in Rostock – man beachte die seitdem getrennte Schreibweise des Nachnamens.

Und dessen erstgeborener Sohn Hermann Christian (1801 – 1877) brachte es bekanntlich zu höchsten Verdiensten und Ehren in St. Petersburg. Erhoben in den erblichen Freiherrenstand, ließen sich er und drei seiner Söhne mit ihren Familien ab 1866 in Dresden, Lockwitz, Bärenklause und Prohlis nieder.

Sein ältester Sohn, Karl Johann (1827 – 1887), Besitzer des Rittergutes Lockwitz, engagierte sich erneut in Mecklenburg. Er erwarb um 1877/78 nahe der heutigen Kreisstadt Neustrelitz die riesengroßen Güter Klein-Vielen mit Hartwigshof (ca.1.950 ha) sowie 1883 die benachbarten Lehngüter Adamsdorf (ca. 505 ha) und  Liepen (ca. 975 ha) nebst Patronatspflichten für die Kirche in Peckatel. In Adamsdorf ließ er das Gutshaus neu errichten, in Liepen die Kirche und das Schulhaus.

Die nach dessen Tod auf eine Erbengemeinschaft übergegangenen Güter wurden von seinem erstgeborenen Sohn, Hermann Thomas Frhr. v. Kap-herr – Lockwitz (1854 – 1929) weitergeführt. Er war übrigens der Stifter des Kirchenfensters in Sternberg, dem Wirkungsort seines Urururgroßvaters Johann Georg Christian.

Herrmann’s einziger Sohn Richard (1889 –1961) wohnte vor der Übernahme des Rittergutes Lockwitz mit seiner jungen Familie in den vergleichsweise bescheidenen Gutshäusern in Klein-Vielen bzw. später in Adamsdorf. Die schlechte wirtschaftliche Lage Deutschlands nach dem 1. Weltkrieg zwangen ihn zur schrittweisen Aufgabe der Mecklenburger Güter. So verkaufte er die Güter Adamsdorf und Liepen 1927/28 an den Freistaat Mecklenburg-Schwerin, Hartwigshof 1934 an die Siedlungsgesellschaft „Hof und Hufe“ sowie Klein-Vielen 1938 an den Fabrikanten Behnecke. Mit den Erlösen konnte er den Erhalt seines Rittergutes Lockwitz sichern. Jedoch wurde er hier 1945 enteignet – und mit seiner Familie in Viehwagen nach Rügen in Mecklenburg deportiert …

Moritz Frhr. v. Crailsheim