Modell der Kreisgrabenanlage

Dresden 2025 – Europäische Kulturhauptstadt

... so die Vision unserer Stadtmütter und Stadtväter. Und es werden die verschiedensten Aspekte erwogen, unsere schöne Heimatstadt Dresden ins richtige Licht zu rücken. Die Auswahl fällt sicher schwer, gibt es doch eine schier unüberschaubare Vielfalt an kulturellen Höhepunkten.

… so die Vision unserer Stadtmütter und Stadtväter. Und es werden die verschiedensten Aspekte erwogen, unsere schöne Heimatstadt Dresden ins richtige Licht zu rücken. Die Auswahl fällt sicher schwer, gibt es doch eine schier unüberschaubare Vielfalt an kulturellen Höhepunkten. Bisher vollkommen unreflektiert bleibt leider ein Sachverhalt, der zwar wissenschaftlich nachgewiesen, aber medial und öffentlichkeitswirksam nicht vermittelt wird: Der Ursprung, die Wurzeln dieser bemerkenswerten Entwicklung des Dresdner Elbtals.

Jeder von uns kennt die ägyptischen Pyramiden oder Stonehenge in Südengland, wer weiß um die Kreisgrabenanlagen von Dresden-Nickern? Dabei sind eben diese jungsteinzeitlichen Monumentalbauten 2.000 Jahre älter als die Pyramiden und Stonehenge und somit Zeugnisse der ersten Monumentalbauten der menschlichen Zivilisation in Europa überhaupt. Jungsteinzeitliche Kreisgrabenanlagen (ca. 4.800 bis 4.600 v. Chr.) sind ein europaweites Phänomen, über 160 Anlagen wurden bisher verortet. Einfache, zweifache, dreifache Anlagen, Raritäten sind Anlagen mit vier Gräben, nur vier Exemplare sind bisher in Europa bekannt, eine davon in Dresden-Nickern. Eine Ballung von gleich vier Anlagen unterschiedlicher Größe auf engstem Raum existiert bisher in Europa nur zweimal: auf einem Feld nördlich von Leipzig, bei Kyhna, und hier im Elbtal in Dresden-Nickern. Der Leipziger Komplex ist im Laufe der Jahrtausende wüst gefallen, Luftbilder ermöglichten seinen Nachweis. Unser Dresdner Areal wurde im Zuge diverser Baumaßnahmen (Autobahn, Wohnbauten) einzig durch Rettungsgrabungen entdeckt, inmitten des Dresdner Stadtgebietes. Und mit ihm eine Unzahl weiterer archäologischer Befunde aus allen Epochen der menschlichen Entwicklung. Fast jeder Bauherr im Elbtal weiß es: Die Archäologie ist meist im Spiel und wird fündig. Dr. Kurz, Grabungsleiter 1993/94 in Nickern vom Landesamt für Archäologie Sachsen, zieht das Fazit „so ist zunächst die seit der Jungsteinzeit äußerst dichte Besiedelung auffällig.“1

Modell Kreisgrabenanlage

Der Autor hat anhand diverser Angaben von Archäologen den physischen Gesamtaufwand zur Errichtung unseres Komplexes überschlagen: über 44.000 Ein-Mann-Arbeitstage, vor 7.000 Jahren. Für Anlagen, deren Sinn und Funktion für uns nicht greifbar sind, deren Spuren aber zweifelsfrei im Boden nachgewiesen wurden. Prof. Berthemes von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg sieht sie als „Ausdruck von Prestige und Macht“2.

In unmittelbarer Nachbarschaft der Anlagen neolithische Langhäuser, Wohnhäuser, die hier im Elbtal schon mal über 50 m Länge erreichten und deren Größe die Archäologen vor genau die gleichen Rätsel stellt. Alle ausgerichtet in Nord-Süd-Richtung, quasi eine erste Bauordnung! Die Veröffentlichung der Forschungsergebnisse veranlasste im Juni 2005 den englischen „Independent“ zum Resümee, dass sich der Haupttempel jener Kultur unter dem Stadtgebiet von Dresden befinde3, die Berliner „BZ“ schlussfolgerte: „Dresden war Zentrum der ersten europäischen Hochkultur“4.

Schüler einer 3.Klasse bei einem Projekttag

Der vom Dresdner Stadtrat einstimmig angenommene Beschluss über die Prüfung eines Geschichtsweges im Dresdner Süden, der „VIA NEOLITHICA DRESDENSIS“, könnte ein erster Schritt zur Vermittlung der relevanten Informationen sein. Der Prohliser Heimatverein will sich dankenswerterweise dieser Thematik annehmen. Eine Rekonstruktion der größtenteils noch im Boden verwahrten Anlage DD-02 an authentischer Stelle einschließlich der sie umgebenden jungsteinzeitlichen Siedlung könnte als archäologischer Park dieses einmalige Erbe erlebbar gestalten und einem breiten Kreis unserer Mitmenschen zugänglich machen, ebenso unseren Gästen und den zahlreichen Touristen. Idealerweise könnte er die Heimstatt eines Vereins werden, der die Anlagen betreut und sie, wie vor 7.000 Jahren, einer multifunktionalen Nutzung zuführt. Welche Effekte sich generieren würden, kann man gar nicht abschätzen, es wäre spektakulär. Wer vermutet in Dresden die Steinzeit in dieser Blüte? Sollten Sie Interesse an dieser Thematik gefunden haben, schauen Sie einfach im Internet nach unter „Kreisgrabenanlage Dresden-Nickern“. Sie finden alle Quellen einschließlich eines Videos von DresdenEins.tv über „Die Wiege Dresdens“.

Liebe Leserin, lieber Leser, diese imposante Entwicklung unseres Lebensraumes ist das Resultat einer exponierten „Siedlungsgunst“. Hierzu zählen neben den fruchtbarsten Lößböden, der Nähe zum Wasser, der Elbe als strategischem Verbindungsfluss der Kulturen, einer begnadeten Landschaft auch ein klimatisches Sondergebiet. Wir dürfen all dies Tag für Tag erleben, empfinden es als einen Teil unserer Lebensqualität. Geben wir unser Wissen und unseren Stolz darüber unseren Kindern mit auf den Weg.

Dresden 2025 – Europäische Kulturhauptstadt,  vor 7.000 Jahren waren wir es schon mal, meint zumindest der Autor Steffen Bösnecker, Fliesenlegermeister aus Dresden-Nickern

  1. „Archäologische Untersuchungen im Gewerbegebiet Dresden-Nickern 1 – eine Bestandsübersicht“ in „Archäologie aktuell im Freistaat Sachsen“ 2/1994 
  2. „Kathedralen der Steinzeit – Europas frühe Monumente“ ZDF 2008
  3. „The Independent“ 11. Juni 2005
  4. SPIEGEL ONLINE 13. Juni 2005